Dienstag, 30. Juli 20:50
Lass uns reden über: ... Jazz.
Es gibt nicht viele Musikrichtungen, in denen sowohl die Fans, wie auch die ausführenden Musiker derart zerstritten sind.
Ich bin weder Musiktheoretiker, noch jemand von der Jazzpolizei, ich hatte nur ein Buch einzulesen, welches auf (mehr oder weniger) wissenschaftlicher Basis die wahren Wurzeln von Jazz und Blues ergründet hat – oder versucht hat, diese zu ergründen.
In dem Buch war die vertretene Meinung ganz und gar klar: Jazz war von Anfang an eine Tanz- und Unterhaltungsmusik. Man wollte am Wochenende ausspannen, etwas erleben und tanzen – und das konnte man in einem Jazz-Club. Die leicht verkopften Richtungen des Jazz, die erst viel später (in den späten 50er Jahren) aufkamen, waren demnach einem falschen Verständnis geschuldet, das eher weiße, wohlhabende Menschen damals für Jazz hatten.

Soweit, so gut.

Ich schreibe diese Zeilen nicht, um einen weiteren Streit zwischen den Anhängern der coolen Freejazz-Fraktion und den Easy-Listening-Liebhabern anzuzetteln. Denn beide Richtungen haben etwas Grundlegendes gemeinsam: Den ungemein hohen musikalischen Standard, den die Protagonisten dieser beiden Richtungen anbieten. Im Jazz zu reüssieren bedeutet ganz einfach im Normalfall, dass die handelnden Musiker über jeden (musikalischen) Zweifel erhaben sind. Das ist auch genau der Fakt, der mich am Jazz immer wieder fasziniert. Auch wenn ein Stück, eine Komposition, leicht missglückt scheint, sobald sie von einer guten Jazz-Formation gespielt wird, kann da durchaus die Sonne aufgehen.

Da komme ich auch schon zu einer Richtung – meiner Lieblingsrichtung – des moderneren Jazz, die immer wieder ein wenig falsch verstanden wird. Und das ist vermutlich zu einem großen Teil ihrem Namen geschuldet: Acid Jazz. »Acid« ist eigentlich das englische Wort für »Säure« – und ich fürchte, genau so wird diese Sparte des Jazz von Außenstehenden auch wahrgenommen. Es klingt ja doch irgendwie nach »ungut« oder »seltsam«. Schnell denkt man da an Freejazz und rümpft die Nase, weil man das ohnehin nicht versteht. (passt hier gut: Helge Schneider erklärt Freejazz. )

Dabei repräsentiert diese Jazzrichtung meiner Meinung nach genau das, was der Jazz ursprünglich erreichen wollte. Angenehm klingende und wohltemperierte Harmonien, gepaart mit einem grundsoliden Rhytmus, der immer wieder zum Tanzen animiert. Einer meiner absoluten Lieblinge aus dieser Musikrichtung ist Jean-Paul Bluey Maunick, ein Mann aus Mauritius, der die grandiose Formation »Incognito« irgendwann in den 80ern des letzten Jahrhunderts ins Leben gerufen hat. Er trägt mit sehr große Schuld daran, dass junge Menschen wieder zu Jazz tanzen. Ich habe ihn erst Mitte der 90er kennengelernt, damals noch in der riesigen CD-Abteilung des Mediamarkts bei der SCS, im Bereich für Acid-Jazz (der damals so groß war, dass sich gut 15 - 20 interessierte Fans gleichzeitig dort aufhalten konnten – ohne sich gegenseitig zu stören!). Gut zehn Alben habe ich mir von ihm gekauft und keinen einzigen Kauf je auch nur ansatzweise bereut.

Bluey ist nun schon ein wenig älter und zeigt mit seinen 62 Jahren, dass Jazz tatsächlich keine komplett ernste Musikrichtung sein muss, bei der die Musiker mit finsterer Miene ihre Instrumente malträtieren,... sondern man kann einfach lauschen und tanzen, und zwar, wie in diesem Beispiel, auch einem Song über Hüte...

PS: Jean-Paul Maunick ist jener kleinere Herr mit dem weißen Hut, der breiten Krawatte und der roten Fender-Telecaster (eigentlich Atelierz-Telecaster), der auf der Paketwaage spielt (und tanzt?)...

PPS: Die Jazzpolizei sind jene Musiker, die ausschließlich zu Jazz-Konzerten gehen, um nach dem Gig besprechen zu können, welche Noten absolut falsch gespielt wurden...

3 Kommentare


(C) mArtin, im Mai 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


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