Donnerstag, 16. Jänner 2014 23:00
Unter anderem zeigt auch die Strenge von Strafen, wo sich eine Gesellschaft befindet. Auf welchem Weg sie sich bewegt, was ihr wichtig ist – und was weniger. Gottfried Küssel ist, so habe ich gestern gelesen, vor dem Höchstgericht im Justizpalast rechtskräftig wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt worden. Seine Strafe dafür beträgt sieben Jahre und neun Monate unbedingt.

Nicht, dass ich Küssel für ungefährlich halten, oder gar einer rechten Rhetorik verfallen möchte. Nicht, dass es mir – ganz persönlich – nicht recht wäre, wenn (Neo-)Nazis in Gefängnissen sitzen. Nicht, dass ich die Gedankengänge von solchen Menschen nicht für höchst seltsam, abartig und gleichzeitig vollkommen unlogisch halten würde. Dennoch möchte ich die Sinnhaftigkeit dieser Strafe anzweifeln. Ich bin ziemlich fest davon überzeugt, dass Gottfried Küssel durch das Absitzen dieser doch recht langen Haftstrafe seine Einstellung um keinen Millimeter verändern wird. Und dies soll doch angeblich einer der Hauptgründe für eine Strafe in einer Demokratie sein: Es sollte einerseits eine Sühne für die Straftat stattfinden und auf der anderen Seite eine Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft verbunden mit dem eigenen Schuldeingeständnis stattfinden. So zumindest wurde mir das vermittelt. Ob Küssel nach seiner Haftstrafe den Holocaust tatsächlich nicht mehr leugnen wird, bleibt ungewiss. Vermutlich ja, denn er ist nicht dumm und wird eben seine Methodik ändern. Aber bringt diese oberflächliche Änderung auch der Gesellschaft was? Vermutlich eher nein, denn die Geschichte läßt uns doch recht genau wissen, dass inhaftierte Nazis viel Zeit zum Denken (und Schreiben) haben – und was aus inhaftierten Nazis in deren Zukunft noch so alles werden kann.

Egal, wie man den Fall Küssel auch betrachten mag, seine Straftat besteht nach wie vor im Verbreiten von Gedanken. Richtig, solche Gedanken stehen eindeutig gegen unsere Verfassung (Verbotsgesetz). Dennoch sollte es doch bessere Wege geben, solchen Menschen zu helfen, diese Gedanken in richtigere Bahnen zu lenken. Ich weiß nicht, wie man auf solche Ideen kommen kann und was der genaue Grund dafür ist, aber Nazis sind doch eher nicht durch lange Haftstrafen zu belehren, oder gar zu verbessern.

Abgesehen davon gibt es eine andere, mindestens ebenso gegenwärtige Gesellschaftsgruppe, die ebenfalls unsere Verfassung in groben Zügen missachtet, aber dort möchten die Gerichte von Haftstrafen lieber nichts wissen. Da wird dann die »religiöse Freiheit« vorgeschoben. Ich kann zwischen der einen und der anderen Gruppe kaum unterscheiden – für mich wäre das eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich möchte weder mit den Einen, noch mit den Anderen wirklich zu tun haben.

Und zu guter Letzt kommt der von mir überaus beliebte Vergleich, der die Schwere einer Tag in eine Gleichung mit höchst unterschiedlich langen Seiten stellt:

Wer da nicht doch ein wenig nachdenklich wird,... der ist in unserer Gesellschaft wahrlich gut aufgehoben!

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(C) mArtin, im Mai 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


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