Dienstag, 28. April 20:00
Es ist wieder einmal keine weltbewegende Sache, die mich da interessiert aber trotzdem...
Die Musikrichtung schlechthin, die einen Großteil aller Musiker weltweit zu verbinden vermag, ist der Blues. Es ist fast egal, wo man sich auf der Welt befindet, wenn ein paar Musiker, die nicht einmal die gleiche Sprache sprechen müssen, zusammen musizieren wollen, dann geht das mit einem Blues praktisch immer gut. Warum?

Es ist in erster Linie diese einfache und mehr oder weniger fixe Form des Blues-Schemas. Zum Beispiel der 12er-Blues: 12 Takte mit erster, vierter und fünfter Stufe. Jeder weiß ganz genau, wann die Rückungen erfolgen, man spürt dies beim Spielen richtiggehend. Hier zur Veranschaulichung (besser: Veranhörlichung) eine ganz simple Bassline:



Wenn Du Dir diese Bassline noch einmal anhörst, dann wirst Du vielleicht bemerken, dass Du selber auch ganz genau spüren kannst, wann der Bassist (in dem Fall also ich) in die vierte, fünfte und wieder erste Stufe wechseln muss. Ja, genau: muss! Irgendwie sagt einem das Gefühl, dass es gar nicht anders geht.

Tut es doch.

Es ist mir beim ersten Mal bei niemand geringerem als B. B. King – einem der wahren Götter des Blues – aufgefallen, und das schon vor langer Zeit. Der hält sich nicht immer an dieses Schema. Zuerst dachte ich natürlich, dass es mein eigener Fehler sei, ich hätte eben ein falsches Gefühl. Aber es ist mir immer wieder aufgefallen und immer wieder an der gleichen Stelle. Dann habe ich die Takte mitgezählt. Und ja, er spielte sozusagen gegen die Band und war manchmal nicht in der gleichen Stufe, wie die Band. Ich habe dann an meinem Zählverhalten gezweifelt. Ich war mir sicher, dass ich den Fehler gemacht hatte, denn das ist schließlich B. B. King, ein echter Gott des Blues, und der macht einfach keine Fehler, soviel ist klar. Ich habe diese Sache dann aus den Augen verloren.

Vor etwa zwei oder drei Jahren dann habe ich dann John Lee Hooker für mich entdeckt. Nur ein paar Jahre älter als B. B. King und ein paar Jahre früher gestorben (2001, B. B. King erst 2015) – aber auch ein Gott des Blues. Doch in einer ganz anderen Richtung. Während es B. B. King mit seiner Interpretation des Blues immer schon verstand die Massen zu begeistern, und mehr oder weniger einen Hit nach dem anderen herausbrachte (wer kennt nicht: The Thrill Is Gone) – hat John Lee Hooker eher eine Schwäche für den etwas härteren Blues, den Funk im Blues und einfach jene Stücke, die nicht so sehr den Mainstream begeistern können. Sogar bei einem seiner größten Hits (JLH - Boom Boom) ist das deutlich zu hören. Ein genialer Song der aber (im Gegensatz zu B. B. Kings Musik) eher kaum auf einem Schmuse-Rock-Sampler zu finden sein wird.

Und was war jetzt also mit John Lee Hooker?
Tja, da ist mir genau das aufgefallen, was ich über Jahre hinweg aus den Augen verloren hatte. Nämlich, dass John Lee Hooker genau diese gleichen Fehler macht, wie ich es seinerzeit bei B. B. King nicht wahrhaben wollte. Also um es salopp auszudrücken: John Lee Hooker scheißt total auf die Bluesform!

Da gibt es keinen 12-er Blues kein volles Ringerl, die Stufen kommen durcheinander, bei manchen Songs herrscht das pure Chaos. Wenn man sich seine Nummern mehrmals anhört, hört man direkt die restlichen Musiker schwitzen. Sie versuchen, ihm zu folgen, es gelingt aber natürlich nicht immer, denn wenn der Chef mitten im Takt eine Stufe wechselt, dann ist das einfach nicht vorhersehbar und irgendwer wird daneben greifen. Hier eine Nummer von John Lee Hooker, wo sich die Musiker einigermaßen darauf eingestellt haben und die unüblichen Wechsel daher gut hörbar sind. Versuche einfach mit-zu-swingen, es wird dann immer wieder jene Momente geben, wo es sich für Dich irgendwie komisch anfühlt, dass sind genau jene Momente, wo J. L. Hooker das Blues-Schema verlässt.

Egal, wo ich auch im Netz gesucht habe, ich konnte nichts dazu finden. Lediglich in einem Musiker-Forum hat ein Gitarrist einmal bemerkt, dass J. L. Hooker manchmal seltsame Formen spielt – aber mehr auch nicht.
Ich nehme an, dass es ihm wirklich keine Rolle gespielt hat. Für ihn war der Blues wahrscheinlich wirklich sein Leben und das hält sich auch an keine Form. Wahrscheinlich ist/war für ihn der Inhalt wichtiger als die Form – und das ist ja schließlich nichts Schlechtes.

Und ich bleibe ihm weiterhin treu, meinem John Lee Hooker...!

2 Kommentare


(C) mArtin, im Mai 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


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