Montag, 30. Dezember 16:50
Sollte ich einen Text schreiben müssen, der meine Gedanken über das Streben unserer Gesellschaft in einem kurz und präzise zusammengefassten Essay verdichtet, dann würde ich mich sehr freuen, könnte es sich ungefähr so lesen:

Die Wissenschaftler sind ein heuchlerischer Haufen. Einerseits übernehmen sie Direktorenposten in Firmen zu Ausbeutung von gentechnischen Möglichkeiten, spekulieren an der Börse wie die Großen, halten die Hand für Industriemillionen auf und nehmen an allen Praktiken eines korrupten Marktes teil; andererseits erwarten sie - die Augen zum Erhabenen emporgedreht - dass ihre Untergebenen wie in einem mittelalterlichen Kloster leben und die WAHRHEIT und TUGEND vertreten.

In einer Welt, in der sich alles produzieren und alles (wenn die Werbung will) verkaufen lässt - ist es da erstaunlich, dass manche der Versuchung erliegen und ein wenig wissenschaftliche Wahrheit produzieren? Wir leben in einer durchaus korrupten Gesellschaft, in der Publicity die Wirklichkeit überflügelt, in der das Image das Gesicht überstrahlt, in der Erfolg in Dollars und Wahrheit in Dezibel gemessen wird. Es wäre wahrhaft erstaunlich, wenn die geistigen Prozesse - und die Wissenschaft ist ein Unternehmen des Intellekts - nicht von der Senkgrube infiziert würden, in der sie sich vollziehen müssen.

Erwin Chargaff, (1905- 2002) Prof. Dr. phil., Professor für Biochemie
(Aus: »Ernste Fragen. Schwindel in den Wissenschaften und anderswo«, 1986)

Ziemlich vorraussehend, meine ich, wenn man bedenkt dass seit dem Verfassen dieser Zeilen gut 33 Jahre vergangen sind...
... und sich rein gar nichts verändert hat.


1 Kommentare


(C) mArtin, im Mai 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


Da einige meiner Texte ohnehin bereits an anderer Stelle verwendet wurden/werden, dürfen sie also unter Angabe der Quelle auszugsweise verwendet werden. Bitte aber den passenden Link zum entsprechenden Beitrag im Rahmen der Zitat-Kennzeichnung kopieren und einfügen. Denn irgendwann möchte ich auch reich und berühmt werden. Oder auch nicht. Herzlichen Dank und weiterhin viel (Lese-)Freude!