Montag, 20. Jänner 2014 21:30
Was für ein netter Zufall! Die Playlisten eines Radiosenders sind ungefährt so TopSecret wie z. B.: die Telefongespräche einer deutschen Kanzlerin. Kein Sender gibt seine komplette SELECTOR-Programmierung je aus der Hand (...außer an die AKM...), denn sonst käme ja vielleicht jemand auf die Idee, das Erfolgsrezept eines Radiosenders zu kopieren .

Aber keine Art von Daten ist in der Zeit des Internets wirklich sicher und so kam ich auf sehr verschlungenen (aber unbeschreiblich  l e g a l e n !) und hart zu programmierenden Umwegen doch auf eine Möglichkeit, die kompletten Playlisten eines (mehr oder weniger beliebigen) Radiosenders auf meinem Rechner betrachten und zerlegen zu dürfen. Hierbei möchte ich mich gleich bei Klaus D. herzlich bedanken, der mir bei dieser Möglichkeit – ohne selbst davon zu wissen – sehr geholfen hat. Seinen Namen werde ich sicher nicht zur Gänze bekannt geben, da er sonst vielleicht doch noch Probleme bekommen könnte...

Als es darum ging, welchen Sender ich genauer analysieren möchte, habe ich mich für das Programm von Radio Wien entschieden – und zwar für das Jahr 2013:

Im Jahr 2013 wurden auf Radio Wien exakt 120.360 Titel gespielt. Also im Durchschnitt 330 Songs pro Tag.
Dabei verfügt man dort in der Rotation über 3.767 verschiedene Songs – welche natürlich nicht gleich oft gespielt werden. Genau 907 Titel werden im Schnitt nämlich zumindest ein Mal pro Woche gespielt, der Rest dementsprechend weniger – so wurden zum Beispiel 589 Titel im vergangenen Jahr überhaupt nur ein einziges Mal gespielt – was im Radio folgende Bedeutung hat: tot²!
Hier eine Liste der 10 meistgespielten Titel von Radio Wien aus dem Jahr 2013 (dabei kenne ich schon einmal fünf Songs vom Titel her gar nicht ):

Interpret gespielter Titel wie oft in 2013
Caro Emerald A Night Like This 192
Adele Skyfall 170
Barclay James Harvest Life Is For Living 161
Real Thing You To Me Are Everything 156
Santa Esmeralda Don't Let Me Be Misunderstood 155
John Paul Young Love Is In The Air 155
Triggerfinger I Follow Rivers 154
Bruno Mars Grenade 154
Bellamy Brothers Let Your Love Flow 154
Nik Kershaw The Riddle 153


Die zehn meistgespielten Titel decken also immerhin schon 1,3% des Programms von Radio Wien – und man hört sie alle zumindest jeden zweiten Tag. Immer wieder. Immer wieder. Immer wieder! Whow, das ist – entgegen allen anderen Meldungen, Meinungen oder Marketing-Sprüchen – eindeutig amerikanisches Formatradio im aller-aller-aller-aller-allerengsten Sinn! So grauslichgrauslich


Eigentlich »grauenhaft« - aber dann doch wieder nicht. Grauenhaft ist in seiner Bestimmung doch ziemlich eindeutig. »Grauslich« hingegen kann von wahrhaftig »grauenhaft« bis hin zu »nur ein wenig ungut« alles bedeuten.

Sehr oft auch dafür verwendet, um dem Gegenüber mitzuteilen, dass dieses eben ein wenig verletzend zu einem war: »Geh bitte, sei net so grauslich zu mir...«
arg hätte selbst ich das nicht vemutet.

Wenn ich das allerdings nur ein wenig ausweite, dann wird es noch um einiges schlimmer! Nehme ich nur die 100 meistgespielten Titel von Radio Wien als Grundlage, dann komme ich alleine damit immerhin auf 13.285 Einsätze – das bedeutet in Wahrheit: mehr als 11% aller in Radio Wien gespielten Titel kommen von einer Liste mit lediglich 100 Songs. Über ein ganzes Jahr gelegt nenne das eine ziemlich enge Hot-Rotation . Wenn Du also beim Hören einer Radiostation glaubst, dass Du eh immer nur das Gleiche hörst, dann kannst Du Dir sicher sein, dass dem auch tatsächlich so ist – denn Radio Wien ist hierbei sicher nicht das (einzige) schwarze Schaf...

Aber gut. Kommen wir jetzt zum Austro-Pop. Es wird ja immer wieder von allen Ecken und Enden beteuert, dass mit den öffentlichen Radios in Österreich die heimische Szene total belebt wird und es einen zwar nie ausgesprochenen, aber dennoch  g e w i s s e n  Anteil österreichischer Musik gäbe. Außerdem: Radio Wien – da steckt es ja schon im Namen drinnen, das ist ja immerhin eine Radio-Station in Wien, von Wien und für Wien. Angeblich sogar die größte Wiener Radiostation. Also sind da ja sicher die Herren Danzer, Ambros und Fendrich mit unter den – na sagen wir mal – Top 100 Songs?! Es folgt die nächste Überraschung. Nein, unter den Top 100 ist keiner von den genannten. Unter den Top 100 befinden sich (mit einer löblichen Ausnahme) in der Tat gar keine österreischischer Interpreten! (Die Ausnahme sind OPUS mit Live is Life, was bei den Radioleuten aber eigentlich als internationaler Titel gilt). Der erste wirklich deutschsprachige Titel ist dann Christina Stürmer mit Millionen Lichter (kenne ich allerdings auch nicht – und ist für mich vermutlich eher ein »deutscher« Titel...), und zwar erst auf Platz 237 mit 99 Einsätzen im vergangenen Jahr. Der erste wirklich echte Österreicher ist danach erst Falco mit seinem Kommissar auf Platz 295. Dafür aber gibt es wesentlich mehr Österreicher in den allerletzten Reihen. Unter all jenen Titel, die zum Sterben verurteilt sind – also nur ein Mal im letzten Jahr gespielt wurden, befinden sich immerhin: ein Titel von Austria 3, zwei Titel von Boris Bukowski, 6x von Falco, 4x Danzer, ein STS, 2x Hans Krankl, ein Hansi Lang, einer vom Kurt Ostbahn, 2x Minisex, ein Papermoon, 3x Fendrich, 6x Ambros und 4x Peter Cornelius.

Wobei das für mich ganz ohne Spass als absolutes Armutszeugnis gilt – es war für mich sozusagen die Entdeckung, wo ich mehrmals nachsehen musste, da ich glaubte zu irren: Wenn eine  W i e n e r  Radiostation den Titel »Du entschuldige, i kenn di« vom lieben, werten (und von mir wirklich hochgeschätzten) Peter Cornelius im Jahr 2013 genau ein Mal gespielt hat, dann ist da wirklich was ganz schwer kaputt. Dann glaube ich nicht mehr daran, dass dort Profis am Werk sind,... dass dort qualitätsvoll gearbeitet wird,... dass dort jemand sitzt, der wirklich weiß, wie Radio gemacht wird – der wirklich weiß, worum es bei Musik eigentlich geht.

Ich wußte schon, warum ich außer den Ö1-Journalen gar nicht mehr Radio höre – und nach dem heutigen Tag bin ich in meiner Meinung zweifellos gestärkt. So ein SchasSchas


Im Prinzip ein »Furz«. Meist jedoch wird damit eine Situation, ein Thema, eine Gegebenheit beschrieben. Z.B.: »Des is a Schas!« bedeutet soviel, wie: »Diese Sache ist nicht wirklich gut!«. Gerne wird »Schas« auch für »ein Nichts« verwandt.

Eine Steigerungsform von »Schas« wäre dann der »Schas im Wald«, was auf recht einprägsame Weise das tatsächliche, das echte »Nichts« zu beschreiben versucht.
kann einem doch nur auf die Eier gehen. Wer so ein Radio als lokale Station hört, der muss einfach depressiv werden. Dazu vielleicht noch unheimlich steife und schlechte Scherze von hölzelnden Moderatoren und voraufgenommenes Verbal-Erbrechen von lustigen Zuhörern. Nein. Die Zeiten, wo man im Radio interessante und neue Dinge hören konnte, sind lange vorbei. So etwas wie »Hardrock für Fans« oder »Schlager für Fortgeschrittene« – beides Sendungen aus der wirklich interessanten Zeit von Ö3 – gibt es nicht mehr und wird es vermutlich auch nie mehr geben. In Amerika ist man bereits dahintergekommen, dass das in Österreich von den Radiomachern immer noch heißgeliebte Formatradio vielleicht doch nicht so ganz das Wahre ist – aber als gelernte Öschis wissen wir: Bis sich ein positiver Trend aus den USA auf uns auswirkt, das kann dauern... Nur die grauslichgrauslich


Eigentlich »grauenhaft« - aber dann doch wieder nicht. Grauenhaft ist in seiner Bestimmung doch ziemlich eindeutig. »Grauslich« hingegen kann von wahrhaftig »grauenhaft« bis hin zu »nur ein wenig ungut« alles bedeuten.

Sehr oft auch dafür verwendet, um dem Gegenüber mitzuteilen, dass dieses eben ein wenig verletzend zu einem war: »Geh bitte, sei net so grauslich zu mir...«
en Dinge,... die übernehmen wir sofort!


PS: Hier habe ich ein kleines Tool programmiert, wo Du die komplette Datenbank von 2013 durchsuchen kannst...

3 Kommentare


(C) mArtin, im Maerz 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


Da einige meiner Texte ohnehin bereits an anderer Stelle verwendet wurden/werden, dürfen sie also unter Angabe der Quelle auszugsweise verwendet werden. Bitte aber den passenden Link zum entsprechenden Beitrag im Rahmen der Zitat-Kennzeichnung kopieren und einfügen. Denn irgendwann möchte ich auch reich und berühmt werden. Oder auch nicht. Herzlichen Dank und weiterhin viel (Lese-)Freude!