Dienstag, 10. September 19:40
Es mutet schon merkwürdig an, immer wieder kreuzen Maulwürfe meinen Weg – also eigentlich Tiere solcher Art, die man unter normalen Umständen ziemlich selten zu Gesicht bekommt.
Gestern, auf dem Heimweg vom Studio, liegt plötzlich ein kleines, sich strampelnd bewegendes Fellbemmerl vor mir auf dem Betonboden des Wiental-Radwegs. Ich bleibe stehen und hebe das Wutzerl auf – es ist ein Maulwurfbaby, etwa zwei Zentimeter groß. Wie das an diesen Ort kommt, ist mir ein Rätsel. Es gibt da nicht unbedingt viel Wiese in der Gegend – links die alte Mauer vom Wientalbecken, rechts wohl ein wenig Gras aber kein einziger Maulwurfshügel zu sehen. Ich nehme das kleine Ding in die Hand, wo es sich gleich in der Wärme zusammenrollt und ein wenig schläft. Zu Hause angekommen gebe ich es in eine kleine Schachtel und lese im Netz nach, was man mit einem Maulwurfbaby machen soll. Die Aussichten sind eher nicht so rosig. Abgesehen davon, dass Maulwürfe natürlich geschützt sind und dass man Maulwurfbabys nur schwer ohne Muttertier am Leben erhalten kann, finden sich nicht viele Informationen. Ich füttere es mit ein wenig gewässerter Sojamilch, die es auch tatsächlich annimmt, danach muss ich eine Entscheidung treffen, was zu tun ist.

Ich fahre mit dem Baby in der Hand wieder zu der Stelle, wo ich es gefunden habe. Abermals kann ich weder einen Maulwurfshügel entdecken, noch sonst eine Stelle, wo man einen Bau oder eine Höhle vermuten könnte. Also entschließe ich mich dazu, mit dem Wutzerl auf den Berg zu fahren. Dort kenne ich eine große Wiese beim Rosskopf, auf der immer 20 bis 30 große Maulwurfshügel zu sehen sind. Die einhändige Fahrt ist ziemlich anstrengend und das Baby in der anderen, geschlossenen Hand beginnt auch schon zu fiepen, wahrscheinlich nach seiner Mutter.

Endlich bei der großen Wiese angekommen, gehe ich zu einem der Hügel, die ganz frisch aussehen, grabe eine kleine Grube in den Hügel und lege das fiepende Maulwurfsbaby hinein. Ich weiß natürlich nicht, wie sich Maulwürfe verhalten, wenn sie ein fremdes Baby vor der Haustüre sehen – aber die Hoffnung, dass mein Plan funktionieren würde, ist groß. Das Weggehen fällt mir einigermaßen schwer, das Kleine schreit und weint immer noch – aber vielleicht ist es ja gerade dieses Schreien, das ihm das Leben retten könnte...

Heute fahre ich an der gleichen Stelle vorbei. Mir ist schon klar, dass ich nicht sehen werde, wie ein glückliches Maulwurfsbaby von einer Maulwurfsmutti gepflegt wird – dennoch erhoffe ich mir irgendein Zeichen, durch welches ich zumindest vermuten kann, dass es ihm gut geht.

Und tatsächlich: Alle Maulwurfshügel sind seit gestern unverändert. Die Erde ist bereits ein wenig dunkler und ausgetrocknet. Nur genau der Hügel, auf den ich das Kleine gelegt habe, wurde einmal von unten geöffnet, ein wenig herumgebuddelt, und wieder geschlossen. Das muss natürlich nicht unbedingt das Allerbeste bedeuten aber in meiner Vorstellung gibt es jetzt da am Rosskopf eine kleine Maulwurf-Patchwork-Familie, die sich ganz groß über ihren unverhofften Neuzugang freut!

2 Kommentare


(C) mArtin, im April 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


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