Mittwoch, 22. November 18:10
Jamaika, ein Nachtrag.

Noch etwas ist in diesem Zusammenhang angesprochen worden, was meine Aufmerksamkeit deutlich erregt hat: Es gäbe da noch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Von den deutschen Politikern möchte das natürlich niemand durchdenken oder gar wahrhaben, aber ich habe daran in höchstem Maße Gefallen gefunden. Diese Sache würde dann so laufen:

Es wird eine Regierung gebildet, welche keine Mehrheit im Parlament hat (also z. B. nur CDU/CSU mit den Grünen), welche aber – und das ist natürlich relativ wichtig – vom Rest des Parlaments geduldet wird. Danach muss sich dann die regierende Koalition für jedes einzelne Vorhaben einen Partner suchen, der mit ihnen dem Antrag zustimmt, da sie ja über keine fixe Mehrheit verfügen. Man hört über solche Konstellationen immer wieder: »Naja, da geht ja nix weiter...!« An dieser Stelle hätte ich aber eine nicht ganz unwesentliche Frage: WAS soll denn weiter gehen? WAS muss so schnell sein, dass man ein Gesetz in nullkommanix durchpeitschen kann? Es gibt genau betrachtet in einem Parlament absolut nichts, was ruck-zuck bestimmt, beschlossen und abgesegnet gehört. Außerdem wäre das eine wirklich feine Sache, denn so kommen auch die kleinen Parteien dazu, Gesetze einzubringen und zu beschließen – was bei größeren Koalitionen im Prinzip kaum machbar ist. Ein weiterer Vorteil wäre, dass alle Politiker mit allen Politikern reden müssen, um passende Seilschaften bilden zu können. Einmal hilft einem jene Partei bei einem Gesetz, dann wieder die andere.

Es gibt ein sehr gutes Beispiel dafür, dass dies tatsächlich hervorragend funktioniert: Dänemark. Dort ist es nämlich so, dass die Hürde für den parlamentarischen Einzug bei 2% liegt, was den kleinen und Kleinst-Parteien ebenfalls die Möglichkeit bietet, ins Parlament zu kommen und mitzubestimmen. Daher tummeln sich im dänischen Parlament nicht weniger als neun Parteien. Und dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – machen die Dänen mit diesem Modell der Minderheitsregierung seit Jahrzehnten beste Gesetze. Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass Dänemark sowohl beim Glücks-Index, als auch bei der allgemeinen Lebenszufriedenheit unangefochten auf Platz eins liegt – was übrigens nicht von jener Marketing-Agentur erhoben wurde, die Wien regelmäßig zur lebenswertesten Stadt der Welt (für den reichen Manager) wählt, sonder von der EU direkt.

Um so mehr ich über solch eine Minderheitsregierung nachdenke, um so mehr möchte ich dieses Modell auch zu gerne für Österreich haben. Aber da sieht es leider schon sehr nach einem Witze-Kanzler H. C. aus...

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(C) mArtin, im April 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


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