Mittwoch, 28. September 19:00
Wer sich – vor allem jetzt, da die Wahl ja in aller Munde ist – immer schon gefragt hat: »Wie kann eigentlich ein blinder Mensch selbstständig Wählen gehen?«, der kann heute eine Antwort bekommen. Immerhin sitze ich ja sozusagen an der Quelle. Ich sehe vielerlei Dinge – so seltsam es klingen mag – aus der Sicht eines Blinden. Das bringt mein Job in der Hörbücherei doch ein wenig mit sich. Wenn ich zum Beispiel Halterungen sehe, die einfach so und völlig unmotiviert aus der Wand heraussprießen und der Gehsteig aber ganz normal weitergeht, dann denke ich mir: »ja eh, ziemlich klug gemacht...« Die Spitze der Sehhilfe tastet den Verlauf des Gehsteigs weiter ungehindert ab und der Träger des Stocks kracht ohne Vorwarnung gegen ein Gerüst. Barrierefrei ist anders.

Wie wählt also ein blinder Mensch? Man bekommt eine sogenannte Stimmzettel-Schablone, in welche der Wahlzettel dann in der Wahlkabine eingelegt werden kann. Frei und ertastbar bleiben dann nur jene Flächen, wo man das Kreuz für den jeweiligen Kandidaten eintragen kann. Vom Prinzip her eine recht gute Idee, würde ich sagen. Einen kleinen Schönheitsfehler hat diese Schablone allerdings. Damit sie von einem blinden Menschen auch gelesen werden kann, müsste sie eigentlich auch barrierefrei beschriftet sein, also mit Braille-Schrift. Wenn ich mir also nicht ganz sicher bin, ob »Van der« Teil des Nachnamens ist, oder doch eher »Bellen« alleine als Nachname zählt, dann muss ich bereits jemanden fragen und bin darauf angewiesen, dass diese Auskunft den Tatsachen entspricht.

Vielleicht sagt jetzt der Eine oder die Andere: »na geh, das ist doch eh klar!«, der Nachname lautet Van der Bellen! Aber so klar ist das nicht. In praktisch allen wirklich wichtigen Verzeichnissen von Komponisten steht unter dem Buchstaben B der Komponist »Beethoven, Ludwig van«, also ist das obere Kasterl natürlich auch der »Bellen, Alexander van der«. Warum gibt es auf dieser Schablone also keine Beschriftung in Braille-Schrift? Klare Sache: Barrierefreiheit ist eine gute Sache. Nur zu teuer darf sie halt nicht sein...

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(C) mArtin, im April 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


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