Dienstag, 27. September 18:40
Wir sind ja sehr stolz darauf, dass wir alles haben und noch viel mehr haben können. Die persönliche Freiheit ist wichtig und vor allem auch eines: individunell sein. Woraus man lernen kann: Weder ist wichtig, dass man weiß, was es bedeutet, noch, dass man es richtig schreiben kann. Hauptsache: man ist es.

Nun habe ich allerdings so meine Zweifel, also bei der hochgelobten Individunalität im Rahmen unserer Gesellschaft. Vieles kommt mir schon ziemlich gleichgeschalten vor. Sogar sehr gleichgeschalten. Wesentlich mehr gleichgeschalten, als noch vor zwei oder drei Jahrzehnten. Wenn ich vom Studio nach Hause fahre, dann muss ich in letzter Zeit auf Grund einer Umleitung einen großen Pendler-Parkplatz queren. Seit dem ersten Mal, wo ich diese ziemlich große Fläche voll mit dem Schönsten und Besten, was die internationale Ingenieurskunst auf dem Gebiet der motorisierten Fortbewegung zu bieten hat, überquere, habe ich ein seltsames Gefühl. Meine erste Erklärung war, dass ich Autos nicht so mag und mich daher mit meinem Radl inmitten der vielen Pferdestärken seltsam fühlen würde. Das war's aber gar nicht. Mehrere Tage hintereinander habe ich den Parkplatz öfters umrundet und: nichts. Bis mir gestern das Licht aufging: Die Szenerie wirkt nämlich auf mich irgendwie wie früher, im Ostblock.

Silbriges weiß, schwarz und dazwischen einzelne Schattierungen von rot. Mut zur Farbe scheint nicht gerade angesagt. Die Individunalität hat also offensichtlich ihre Grenzen. Diese Grenzen erstrecken sich aber nicht nur auf die Farbe. Während man früher einen Käfer locker von einer Ente, einem Mini oder sogar einem Kadett unterscheiden hatte können, gibt es heute praktisch keine großartigen Unterscheidungsmerkmale mehr. Alle Autos innerhalb einer Klasse sehen gleich aus. Steht einmal inzwischen dieser Flut von Design aus dem Luftkanal ein saturierter Benz mit Heckflosse, dann bleibe ich gerne stehen und denke mir: »whow, so ein Auto kann aber wirklich echt schön sein

Dafür sind aktuelle Autos eines ganz besonders, was sie früher eher nicht waren:  s i c h e r . Halt nur für denjenigen, der sie fährt. Für den Rest der Verkehrsteilnehmer hat sich das in die andere Richtung bewegt. Aber man kann heute ohne große Sorgen mit stark überhöhter Geschwindigkeit und völlig ohne Beherrschung der Materie fahren, was das Zeug hält, ohne dabei ein besonders großes Risiko für das eigene Leben einzugehen. Das war früher definitiv nicht so. Ein Umstand, dem einige Unfallforscher ein bisserlbisserl


»a bisserl« = weniger. Noch ein wenig weniger, als wenig.

Am wenigsten wäre dann ein »E u z e r l«.

Aber das ist dann schon so wenig, dass es - jetzt rein in Bezug auf die Menge - fast mit dem »Lecherlschas« in Konkurrenz tritt.
nachweinen. Was mir aber garantiert nie einfallen würde...

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(C) mArtin, im April 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


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